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 Die demokratischen Antworten auf den Höhenflug der AfD -
Highlights des AfD-geschwängerten Zeitgeistes

 

 

 

 

 

 

 

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ab 26.05. 
findet der Termin wieder wie gewohnt am Sonntag 
um 17 h statt!
 
 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Den Feind kennen

Zur weltweiten Konjunktur des radikalen Patriotismus:

Populistischer Antiimperialismus. 1)

Die AfD steht mit ihrem polemischen Übermaß an Patriotismus nicht allein in der Welt. Überall haben Parteien ihrer Machart Erfolg: Parteien, die ihrem Land den ihm zustehenden Spitzenplatz, in welchem Vergleich auch immer, zu verschaffen versprechen; „wieder“, nämlich so, wie es ihrer Geschichtsphilosophie zufolge früher einmal war. Was für sie zusammenfällt mit dem Versprechen ans gute Volk, die Nation „endlich wieder“ auf den Spitzenplatz der regierungs­­amtlichen Agenda zu setzen, von dem ein dem Bösen verschworenes inter­­nationalisiertes Establishment sie verdrängt hat. Für manche solcher Fanclubs reicht es glatt zur demokratischen Machtübernahme oder jedenfalls zu guten Aussichten darauf. 

Der liberale Sachverstand erkennt hier eine „Welle des rechten Populismus“, die er sich noch am ehesten mit einer soziologischen Verelendungstheorie er­­klären kann, wonach „Abstiegsängste“ infolge „krisenhafter Veränderungen“ eine Sehnsucht nach „einfachen Lösungen“ wecken, die von den Rechtsradikalen so einfühlsam bedient würde, wie es keine der etablierten Parteien schafft. Der Inhalt der weltweit so erfolgreichen patriotischen Super-Moral wird dabei ziemlich komplett ausgeblendet. Vielleicht deswegen, weil die Anhänger eines maßvollen Patriotismus selbst keine brauchbare Vorstellung von all den ­­„Krisen“ haben, für die sie sich „komplexe Lösungen“ wünschen.

Die Sache, die die Rechts-Populisten vom Standpunkt der beleidigten Heimat­­liebe problematisieren, ist die imperialistische Verfassung der modernen Staatenwelt. Eine Welt, in der das Geld zwar nicht „die Welt regiert“, aber dasjenige der „reichen“ Länder als Kredit und Kapital weltweit aktiv ist; auch von Staats wegen, zwecks Welterfolg der heimischen Wirtschaft. In der es die meisten Länder der EU sogar zu einer gemeinsamen Währung gebracht haben und zu einem gemeinsamen Haushalt neben ihrem nationalen, der ganz dem exklusiv eigenen Nutzen gewidmet ist. In der die weltweite Konkurrenz der Staaten und ihrer Kapitalisten überhaupt Kreditverhältnisse einschließt, die auch anderswo Nutzen schaffen, um den wieder heftig konkurriert wird. Eine Welt, in der viele Nationen sich ökonomisch und politisch in katastrophale Krisenlagen hineinwirtschaften, um in der weltweiten Konkurrenz um Macht und Geld doch irgendwie zu bestehen. Und in der die wenigen mächtigen Staaten, die diese Idylle mit der Macht ihres Reichtums und mit dem überlegenen Instrumentarium ihrer Gewalt dominieren, das alles, das Werk ihrer Konkurrenzmacht, auf sich beziehen, auf ihre Interessen und ihre Herrschaftsansprüche; als Problemlagen, die sie mit Geld und Gewalt, mit der Schaffung, Verschärfung und Kontrolle von Konflikten aller Art zu bewältigen versuchen; gemeinsam und in Konkurrenz und Gegnerschaft gegeneinander. Und so weiter. Das ist das Erste.

Das Zweite, was die AfD und ihre politischen Verwandten auszeichnet: Wie sie diese imperialistische Sachlage problematisieren. Nämlich vom Standpunkt der puren Betroffenheit, per Selbstwahrnehmung als Opfer der Verhältnisse, die die eigene Staatsmacht gemäß den Erfordernissen ihres Reichtums und der Räson ihrer Macht autonom und gemeinsam mit ihresgleichen anrichtet. Dieser Blick auf die Welt ist vollständig ignorant gegen die Essentials des Imperialismus ihrer Nation, gegen die Berechnungen und Notwendigkeiten, denen die etablierten Regierungsparteien in ihren Außenbeziehungen folgen. Die Ergebnisse, soweit sie die eigene Nation wie auch immer belasten, werden gemessen am unbedingten Recht ihrer Heimat auf ungestörten Gesamterfolg, den die Regierung mit ihrer internationalistisch fehlgeleiteten Politik vergeigt. Den Inhalt des verfehlten Erfolgs definieren sie so, dass sie ihn unmittelbar in eins setzen mit einem abstrakten Ideal der Wohlfahrt des einfachen Volkes; das hat die Regierung mit ihrem antinationalen Engagement im Weltgeschehen nicht nur verpasst, sondern verraten; Beleg sind dümmste Theorien einer nationalen und internationalen Verschwörung gegen die heimischen Bürger. Die sind ihrerseits definiert durch die Tugend, für sich und ihr Gemeinwesen hart zu arbeiten, ohne viel davon zu haben; durch die Bereitschaft, Mühe und Entbehrungen tapfer auf sich zu nehmen; durch das Recht, dafür höchstes Lob und Anerkennung zu erfahren – und vor allem dadurch, dass sie von ihren volksfeindlichen Weltpolitikern verraten und verkauft, permanent enttäuscht und verhöhnt werden.

So sieht er also aus, der Imperialismus der eigenen Nation vom Standpunkt des modernen Populismus: ein einziger Diebstahl an Land und Volk, arrangiert durch ein falsches Establishment. Und das ist schon eine deutliche Auskunft über den sachlichen Grund des weltweit verbreiteten patriotischen Aufruhrs jenseits der Diagnose, dass hier die patriotische Moral über die Stränge schlägt.

Denn tatsächlich ist der moderne Imperialismus eine politische Enteignung von Staat und Volk, formell und was die Ansprüche und Notwendigkeiten des Regierungsgeschäfts betrifft – auch in den mächtigen Nationen, die sich mit der Aneignung fremder Potenzen und Leistungen vom Erfolg ihres Zugriffs auf ihre geschätzten Partnerländer abhängig machen. Überall leben politische Herrschaft und zivile Gesellschaft vom, weil für den Kapitalismus im Land. Das einheimische Volk „arbeitet hart“, nämlich ohne viel privaten Erfolg für das Wachstum des kapitalistischen Reichtums an dem nationalen Standort, an dem es statt­­findet. Das Geld, das die „einfachen Leute“ verdienen, damit es die Firmenwelt bereichert und die Macht des Staates stärkt, ist und bleibt ihr alles entscheidendes Lebensmittel: die materielle Realität des „Gemeinwesens“, in dem sie arbeiten, um zu leben, und leben, um zu arbeiten. Die nationale Natur dieses Geldes – es ist ja, nach den Regeln des fortgeschrittenen Kapitalismus, das vom Staat als Zahlungsmittel verordnete nationale Kreditzeichen – begründet materiell, in lebenspraktischer Hinsicht, die Bindung der Bürger an ihren besonderen Staat, jenseits oder besser: diesseits aller patriotischen Narrative und der Einbildung einer „nationalen Identität“. Und zugleich – von seinem kapitalistischen Verwendungszweck her beurteilt: vor allem – ist eben dieses Geld, i.e. die ökonomische Macht des darin real existierenden nationalen Kredits, Stoff und Mittel des internationalen Kapitalismus, substanzieller Zweck und Instrument der Bewirtschaftung nicht bloß des heimischen, sondern aller Kapitalstandorte auf der Welt. Die globale, kritisch vergleichende Verwendung der nationalen Gelder als bzw. durch das Kapital ist beides: Erfolgsbedingung der nationalen Wirtschaft, also Bedingung für ein kapitalistisch sachgerechtes Überleben des Volkes; zugleich degradiert sie Volk und Heimat zu einem Standort unter vielen, unter denen der kapitalistische Reichtum für sein schranken- und daher grenzenloses Wachstum auswählen darf und soll. Auf dieser materiellen ökonomischen Grundlage verstrickt die zuständige Staatsmacht ihre Nation in einen permanenten Konkurrenzkampf um Reichweite und Respektierung nationaler Rechtsansprüche, der per Abschreckung, also auch mit brutalstmöglicher An­­wendung von Gewalt ausgetragen wird; was den betroffenen Staatsbürgern die Ehre des sachgerechten Verschleißes für die globalen Belange ihrer Heimat einbringt. Resultat ist das alltägliche Weltgeschehen, in dem Zuständigkeiten und Abhängigkeiten der Höchsten Gewalten, Zugriffsmacht und Selbstbehauptungsbemühungen der politischen Herrschaft, relativer Nutzen und zusätzliche Drangsale der betroffenen Bürger sich überkreuzen. Im Endergebnis sind die Völkerschaften im modernen Imperialismus – dies der epochale Fortschritt einer fast 80-jährigen „Friedenszeit“ – nicht mehr bloß überhaupt Manövriermasse ihrer politischen Herrschaft und ökonomisch herrschenden Klasse: Diese In­­stanzen sind von vornherein in internationaler Mission unterwegs und nach ­­Maßgabe der internationalen Kräfteverhältnisse aktiv. Deren Konkurrenz um Wachstum an Reichtum und Macht ist in gar keiner Weise mehr ein besonderer Bereich grenzüberschreitender kommerzieller und politischer Beziehungen, der vom normalen bürgerlichen Alltag zu trennen und gegen das nationale Binnenleben abzugrenzen wäre. Dieser Konkurrenzkampf bestimmt von vornherein Umstände, Bedingungen, Mittel, Schranken, überhaupt die Logik des gesellschaftlichen Lebensprozesses bis in das private Erwerbsleben und die Lebensführung der bürgerlichen Konkurrenzsubjekte hinein. Und was für die impe­­rialistische Welt generell gilt, das hat in Europas €-Ländern die denkbar drastischste Form angenommen: Die ökonomische Substanz der vielen nationalen Gemeinwesen ist supranational kollektiviert; die grenzüberschreitende Identität des kapitalistischen Lebensmittels Geld bleibt Gegenstand und Mittel der Konkurrenz der beteiligten Nationen. Mehr Widerspruch geht kaum.

Die rechtspopulistischen Parteien in Deutschland, Europa und anderswo sorgen dafür, dass die Verstrickung ihrer Nation in eine Welt der imperialistischen Konkurrenz den betroffenen Bürgern negativ auffällt und den dafür Zuständigen als verräterische Auslieferung der Volksgemeinschaft, mit dickem Gleichheitszeichen zwischen „hart arbeitendem“ Tugendvolk und nationalstaatlicher Souveränität, zur Last gelegt wird. Sie machen sich um ein zur Tugend impe­­rialistischer Weltoffenheit komplementäres, zu exzessiver Heimatliebe aufgeregtes falsches Bürgerbewusstsein verdient.

1Siehe dazu auch den Artikel „Der Populismus. Sechs Anmerkungen zu einer alternativen Form demokratischer Herrschaftsausübung“ in GegenStandpunkt 4-19.